Mittwoch, 31. Oktober 2007

Tiegel

Trübe Stimmung draussen. Wie ein Novembertag am Zugersee. Doi Suthep ist von Nebel umwabert. Ein paar Regentropfen küssen mich auf dem Heimweg vom Raan Kaffee Wawee, wo ich die müden, begeisterten, grabenden und am Ende nach oben ausschlagenden AA's mit meinen Mundsprechwerkzeugen geformt habe, so wie es mir meine neue Lehrerin Lah (begeistert ansteigend, dann fallend ausgesprochen) diese Woche vorgemacht hat. Zuhause widme ich mich ganz meinen Fundlingen der letzten Tage. Ein Juhuuuuchzer, Lichtbilder und ein Liebesbrief, alles aus der Algarve, bringt Jubel in mein Herz.
Überraschendes Wiedersehen mit Sara aus dem Wat Kow Tahm. Ich half gerade Anutschit, einem burmesischen Novizen im Wat Umong, einen englischen Text über Generosity richtig auszusprechen und wortmässig zu verstehen, als Sara plötzlich lächelnd dastand. Das Wiedersehen mit ihr wirkte, wie wenn jemand eine Tür, die schon fast zugefallen war, mit einem Ruck wieder aufstiess. Die Tür hinaus in den unbegrenzten Raum der Freiheit. Ein frischer Wind wehte herein, wirbelte alten Staub auf und reicherte alle Zellen mit belebendem Sauerstoff an. Eine weise Freundin am Weg.
Die Yogagruppe mit Carol, Joyce und Noriko im Cafe Pandau ist eine weitere Perle unter meinen Fundlingen. Ich lerne mit den Knochen und Knöchelchen meiner Füsse zu kommunizieren. Bodytalk vom Feinsten!
Im Raan Sukaphaap Aden, dort, wo es den grüngrünen Saft gibt, lag kürzlich ein Prospekt mit dem Titel TianZi Asia. Drin der Hinweis auf Tea from mountain forests und ein neues Tea House in Chiang Mai. Der Prospekt lag einige Tage neben meinem Laptop, bis ich mich gestern mit meinem Liebsten auf die Suche machte. Welch eine Freude wartete da auf uns. Zuoberst auf dem Menu Burdock Bites, die mich sofort interessierten. Burdock, ein Wort, das mir auf Speisekarten und auch sonst noch nie begegnet war. Wir bestellten und machten Bekanntschaft mit lauwarmen, schräg geschnittenen Scheiben einer weisslichen Wurzel. Die Scheiben waren mit Zwiebelwürfelchen besprenkelt und schmeckten säuerlich, süsslich und ganz entfernt nach Rettich. Liebe auf den ersten Biss! Bei Wikipedia fand ich dann heraus, dass Burdock grosse Kletten sind und von Skandinavien bis Portugal bis nach China und Japan als Nahrungs- und Heilmittel bekannt sind. Der Verzweiflungsruf meines Vaters kam mir wieder in den Sinn, wenn wir ihn zu dritt umdrängten: Ihr sind doch Chlette! Ein anderer Schweizer, Georges de Mestral, verzweifelte nicht, sondern schaute sich von der Klette den Klettverschluss ab. Das Leckerli zum Puer Tee möchte ich Euch nicht vorenthalten: getrocknete Cherry Apples! Gemäss meinem Liebsten ein Erlebnis wie Kauen von Löschpapier mit Boskopgeschmack.
Mittlerweile haben sich die Regentropfenküsse in ein unüberhörbares Blechdachgetrommel verwandelt. Welch ein Glück, im Trockenen zu sitzen!

Lichtbild von Inge: Adlerauge ist achtsam