Dienstag, 14. Januar 2014

Menjenguk Pak Pasek

Heute kam alles anders als geplant. Die ganze Nacht hatte schon der Wind ums Haus geheult. Als ich das Licht in der Küche einschalten wollte, blieb es dunkel. Kein Problem. Der Generator sprang auf Anhieb an. Noch schnell ins Internet bevor ich mich auf die Suche nach einer Schneiderin für die neue Bettwäsche mache. In den Bali Discovery News lese ich, dass sich bei Darwin ein tropischer Sturm bildet, der auch Auswirkungen auf das Wetter in Bali hat. Vor heftigen Winden, sintflutartigen Regenfällen, hohen Wellen und Erdrutschen wird gewarnt. Ich schlage die Warnung in den Wind und besteige meine Jupiter. Batterie schwach. Zum Glück hat sie ein Kickstarter-Pedal. Ich rolle los mit meiner Stoffkiste auf dem Hintersitz. Am Ende der Geraden zum Wald sehe ich ein Auto wenden und wundere mich. Nicht lange, dann wende ich auch. Ein Baumriese liegt quer über die Strasse. Das Angebot eines Jajan-Verkäufers, mein Motorrad über den Baum zu heben, schlage ich aus und bin schon bald wieder zuhause. Was jetzt? Könnte mir die Zeit im Internet vertreiben. Doch ich folge endlich der Stimme, die mir schon länger zuflüstert "besuche Pak Pasek". Pak Pasek ist der Nachbar von schräg gegenüber. Er hat mitgeholfen, unser Haus zu bauen. Hat überall angepackt, wo noch zwei Hände nötig waren. Keine Arbeit war ihm zuwider. Er war immer freundlich und hilfsbereit. Hat gesehen, wo es noch etwas aufzuräumen oder zu putzen gab, wenn andere ihren Job schon für getan hielten. Einige Male war er krank. Die Leute sagten, er hätte Gelbsucht. Nach der Bauzeit traf ich ihn manchmal auf der Strasse oder im Garten. Mal brachte er Holz nach Hause, mal schnitt er den riesigen Kapokbaum, mal pflanzte er junge Nelkenbäume oder besserte den Zaun aus mit Bambusstangen. Auch Zeremonien fanden statt. Sein 2.Sohn heiratete. Dann kam die 3.Enkelin zur Welt. Dann habe ich ihn lange nicht mehr gesehen. Die Leute erzählten, er sei zur Behandlung in ein Spital. Vor etwa 2 Wochen erzählte mir Kadek, unser Gärtner, dass Pak Pasek wieder zuhause sei. Dass er sehr schwach sei und einen riesigen Bauch hätte. Dazu sagte er noch banyak orang nengok, viele Leute nengok? Dem Sinn nach musste es sowas wie "besuchen" oder "Gesellschaft leisten" heissen. Ich suchte im Wörterbuch, fand aber keinen Eintrag unter nengok. Also fragte ich Luh Nik, meine Pembantu, und sie meinte, man könnte das Wort auch unter jengok oder jenguk finden. Und siehe da, jenguk=mit ausgestrecktem Hals Ausschau halten, besuchen, bei jdm. vorbeischauen. Das tat ich dann: menjenguk Pak Pasek. Und da lag er, abgemagert zu einem Häufchen Haut und Knochen mit aufgedunsenem Bauch. Langsam drehte er sein eingefallenes Gesicht zu mir und es war als ginge die Sonne auf nach langer Winternacht und schiene direkt in mein Herz.