Samstag, 17. Februar 2007

Lächeln verboten


Seit einigen Tagen ist unsere Quartierstrasse mit weiss-rot-blauen Fähnchen geschmückt. Die Fähnchen zeigen Nummern und Köpfe. Ab und zu fahren Lautsprecherwagen durch das Quartier und beschallen es mit mir unverständlichen Lauten. Einige der Köpfe erinnern mich an Bilder aus einer Fahndungskartei. Doch mein demokratisch gebildeter Verstand tippt auf Wahlen. Ich realisiere, dass ich keine Ahnung vom politischen System hier habe. Ich frage meine Thailehrerin danach, die von ihrem Vater den Namen Tochter meines Herzens erhalten hat, unter Freunden aber Tuk genannt wird. Sie wohnt mit ihrer Mutter 40 km ausserhalb der Stadt und fährt jeden Tag mit ihrem Motorrad 1 Stunde zur Arbeit und wieder eine zurück. Sie würde gerne in die Länder reisen, aus denen ihre Schüler kommen. Hat aber nicht genug Geld für das Ticket, obwohl sie manchmal 7 Tage pro Woche arbeitet. Eine Freundin aus Amerika hat sie eingeladen. Wollte ihr sogar das Ticket schenken. Aber die Reise scheiterte dann an den terrorphobischen Visa-Bestimmungen der USA. So stillt sie ihren Wissensdurst aus den Erzählungen ihrer Schüler. May pen rai! Auf meine Bemerkung über die ernsten, verkrampften Gesichter erfuhr ich, dass Thailänder auf offiziell verwendeten Fotos für Pass und andere Ausweise nicht lächeln dürfen. Ein leichtes Hochziehen der Mundwinkel wird gerade noch toleriert. Mund öffnen und Zähne zeigen geht bereits zu weit. Wer hätte das gedacht im Land des Lächelns.
Neben den 5 S (sabay=angenehm, sanuk=lustig, saduak=bequem, suphap=gesund, suay=schön) lerne ich gerade die 4 G (guns, girls, gambling, ganja) des thailändischen Lebens kennen. Ich bin am Lesen der Studie von 3 Professoren der Chulalongkorn Universität über die illegale Wirtschaft und die öffentliche Politik Thailands aus den 90ern. Danach entspricht die illegale Wirtschaft annähernd einem Fünftel der legalen Wirtschaft. Die illegale Wirtschaft besteht hauptsächlich aus illegalen Spielhöhlen, Untergrundlotterie, Prostitution, Drogenhandel, Schmuggel und Menschenhandel. Das alles ist nicht etwa geheim, sondern öffentlich bekannt und geduldet. Legale und illegale Wirtschaft sind durch ein Beziehungsnetz zwischen Unternehmern, Spielern, Politikern und Polizisten eng verwoben. Mein Bild von Thailand wird realistischer. Ich schärfe meinen Blick, lüfte den Schleier meiner Illusionen.

Try not to have aversion towards aversion.
Versuch Deine Ablehnung zu akzeptieren.
Rosemary und Steve Weissman