Samstag, 21. Juni 2008

Das goldene Notizbuch

Es ist 3 Uhr morgens. Seit etwa 2 Stunden kann ich nicht mehr schlafen. Ich spuere meinen Bauch. Etwas liegt schwer darin und gleichzeitig fuehle ich mich hungrig, spuere ein Loch im Bauch. Ich esse eine Banane um das Loch zu fuellen und mache heisses Wasser. Meine Sicht ist etwas verschwommen. Aber schreiben geht gut. Gedanken ueber den gestrigen Abend kreisen durch den Kopf. Soviel wurde gesprochen ueber Wein, welcher Wein wie schmeckt, wie teuer ist, wie angebaut wird, wann und wo getrunken wurde und vielleicht auch warum. Weingeschichten. Ich schaffe es, auf Alkohol zu verzichten, aber esse eine Wurst und trinke Kaffee, bzw. Espresso aus der Maschine und Pulver, wer weiss woher. Es ist so einfach gemaess meinen Prinzipien zu verurteilen. Ja, was sind meine Prinzipien, die Fallbeile, unter die ich das Verhalten anderer Menschen lege? Ihnen kann ich auf die Spur kommen. Nur lokale Produkte verwenden. Menschenarbeit statt Maschinenarbeit. Kein Alkohol. Kein Fleisch. Und dann ist da ein perfekter Schweizer Haushalt in Bali. Gastfreundschaft, die ich geniesse. Ich versuche zu verstehen. Das Dukkha zu sehen. Die Ursache davon. Dann durchstoebere ich das Buechergestell und stosse auf Doris Lessing's Goldenes Notizbuch. In irgendeinem Blog hatte ich Zitate daraus gelesen, wahrscheinlich bei Else. Sie hatten mich beruehrt. Ich frage, ob ich das Buch ausleihen darf. Ja, aber Wiedersehen macht Freude.
Ich lese das 20 Seiten lange Vorwort. Die Struktur und der Ausblick interessieren mich. Das Buch selber hat fast 800 Seiten. Ich fasse Mut. Doch nach ein paar Seiten kapituliere ich mit dem Satz: Mich interessiert nicht die Befreiung der Frau, sondern meine eigene Befreiung aus meinem eigenen Gefaengnis. Noch ein paar mal schlage ich das Buch irgendwo auf und lese ein paar Zeilen. Davon sind mir diese 3 Saetze bemerkenswert:

Warum habe ich immer dieses schreckliche Beduerfnis, andere Leute dazu zu bringen, die Dinge so zu sehen, wie ich sie sehe? Das ist wirklich kindisch. Worauf es hinauslaeuft, ist, dass ich Angst habe, mit dem, was ich fuehle, allein zu sein.

Ich war bei den Medizinmaennern, um jetzt zu wissen, dass keiner mir etwas antut - ich tue es mir selber an.

Ich war erstaunt darueber, wieviele weibliche Rollen ich in meinem Leben nicht gespielt habe, zu spielen abgelehnt habe oder wieviele mir nicht angeboten wurden. Selbst im Schlaf wusste ich, dass ich verurteilt war, sie jetzt zu spielen, weil ich sie in meinem Leben abgelehnt hatte.