Montag, 26. Dezember 2005

Weihnacht

Nein, wir haben uns nicht verirrt, wir wissen nur gerade nicht, wo wir sind. Auf irgendeiner Strasse, die sich hügelab und hügelauf durch das thailändisch-burmesische Grenzland schlängelt, in dem sich ehemalige Kuo-Min-Tang Soldaten aus China niedergelassen haben und heute Tee statt Opium anpflanzen. Die Sicht ist verdunstschleiert. Wie in Zürich im November bei Hochnebel. Es wird langsam dunkel und die Kurven nehmen kein Ende. Es ist kühl. Ich denke an den kuschelwarmen Schlafsack, in dem ich die Nächte draussen am Stora Le verbrachte. Meine Zivilisationssorgen um ein warmes Bett in einem schönen Hotel weichen dem Urvertrauen in mich und die Natur. Mögen alle Menschen dieses Urvertrauen spüren und ihre Ängste und Nöte meistern.Doch wie so oft, wenn ich schon mit dem Schlimmsten rechne, werde ich reich beschenkt. Mae Salong taucht auf einer Hügelkuppe auf. Das erste Resort ist voll, aber in der Mae Salong Villa gibt es noch Zimmer mit Aussicht auf die Teeterrassen für 1200 Baht. Dunkelheit sinkt langsam herab. Die Strasse ist links und rechts gesäumt mit Teeläden, wo sich auf hölzernen Gestellen die Teeballen stapeln. Gruppen von Menschen kauern um wärmende Feuer. Wir lassen uns ein chinesisches Essen aus den Empfehlungen der Kellnerin in Winterjacke zusammenstellen: Roast Pork, Yunnanese Eggroll, Pan-fried Mushrooms und Fried Vegetables. Dazu ein französischer Rotwein, der wie wir die Reise hierher irgendwie geschafft hat. Auf der Terrasse draussen blinkt die Beleuchtung eines künstlichen Christbaums. Im Fernseher läuft eine chinesische Soap. Langsam schleicht sich die Kälte durch das Gewebe unserer Jacken und so kuscheln wir uns unter die Steppdecken in unserem Zimmer und schauen in den warmen Schein der Tempelkerzen, 4 in einer Schale auf dem Fernseher und 4 im gläsernen Aschenbecher auf dem Frisiertischchen vor dem Spiegel. In der Ecke brummt ein roter Kühlschrank vor sich hin und hilft das Zimmer wärmen. Zusammen summsingen wir O Tannenbaum. Dann lullen mich Joe's Zukunftsphantasien wohlig ein bis der Aschenbecher die Flammenhitze nicht mehr aushält und klirrend entzwei springt.