Mittwoch, 26. April 2006

Cappuccino Dreaming

Der Kaffee verwandelt mich in ein Wesen der Nacht. Ein breiter Gedankenstrom zieht vorbei, trägt Treibholz mit sich, das der Sturm des Schweigens dem Fluss übergeben hat. Ich angle nach den Stücken, ziehe sie an Land, betrachte, belausche, beschnuppere, betaste, beschmecke sie. Dann gebe ich sie dem Fluss zurück.
Marrakesch blitzt auf mit exotischen Düften. Die Wollfärbergasse mit ihrem bunten Baldachin. Mit Christinas Augen schaue ich über die Altstadtdächer und sehe die von begüterten Franzosen renovierten Häuser wie grüne Oasen aus der Wüste ragen. Ein Foto von meinem Vater von seiner Kreuzfahrt auf der Franca C, wie er in Casablanca am Fusse der Landungstreppe steht, braungebrannt, strahlend und weltmännisch. Er hatte die Gabe, sich mit minimalem Fremdsprachenwortschatz überall verständlich und beliebt zu machen.
Dann treibt der Leiterwagen von Oma Balingen an. Damit wurde die Ernte an Zwetschgen, Boskoop-, Berner Rosen- und Mostäpfeln und -birnen aus der Ebergasse nach Hause an die Hirschbergstrasse gefahren oder das Mostobst in die Mosterei. Wie ich es liebte, in den Bäumen herumzuklettern auf der Suche nach dem köstlichsten Apfel.
Tanger, meine erste Bekanntschaft mit Afrika und das Ziel von Olga im Sommer ihrer Frauwerdung, ihrem Sommer. Wie ich hat sie dieses Ereignis erträumt und sich den Mann dazu ausgesucht, und ist nachher reifer und mutiger ihren Weg ohne ihn weitergegangen. Aus Olgas Manifest: Für die Liebe sind nur wilde Männer in Betracht zu ziehen.
In den Morgen grauende Frage: Kann ich etwas, das ich nicht getan habe, nicht bemerken? Zum Beispiel: Ich habe nicht bemerkt, dass ich den Tee nicht getrunken habe. Der Tag kann nur noch einfacher werden! Oder?