Shirley MacLaine ist ihn gegangen, 1994. 10 Jahre bevor ich mich auf den Weg von Sevilla nach Santiago machte. Ihr Buch hat letzte Woche den Weg zu mir gefunden und ich konnte es nicht weglegen, bis ich es ausgelesen hatte. Das Buch beginnt mit der Feststellung, dass einem auf dem Weg ein Liebesabenteuer angeboten wird. Eine Erfahrung, die auch ich gemacht hatte, wenn auch nicht so, wie ich mir das gewünscht, sondern mehr, wie ich das befürchtet hatte. Kein glutäugiger Don Juan, sondern ein hässlicher, nach altem Fritieröl riechender Restaurantbesitzer, der den Laden schliesst und dann seinen Hosenladen öffnet und mich lüstern anstarrt. Angst, Wut und Ekel lösten sich ab, bis irgendwann nur noch Mitleid blieb. Und jetzt bin ich am Lernen, wie ich Mitleid in Mitgefühl wandeln kann. Mitleid, das aus Überheblichkeit kommt und distanziert, während Mitgefühl aus Liebe kommt und sich öffnet.
Eva zeigt mir ihre Bilder und weckt wieder Freude und Lust am Malen.
Susanne liest mir ihr Gedicht vor und weckt Freude und Lust am Dichten.
Die Schwalben zeigen mir ihre Flugkünste und wecken Freude und Lust am Fliegen.
Ich finde ein totes Käuzchen auf der Strasse.
Es zeigt mir die Vergänglichkeit aller Dinge und weckt Freude und Lust am Leben. Vögel kennen keine Grenzen.
Mögen wir mit Mitgefühl und liebender Güte unsere eigenen Grenzen und Beschränkungen überwinden können!
Die Hungerkrise am Ende des gestrigen Fruchttages überwinde ich mit letzter Kraft, einem Panikkauf von 2 Bananen, die ich dann nicht einmal esse, und einem Rote-Beete-Orangensaft im Café Xpreitaqui.
Wie wunderbar, heute morgen wieder ein Chacheli Kaffee mit schaumigem Milchhäubchen und ein Stück selbstgebackenes Holzofenbrot mit Butter bei Susanne geniessen zu können.
Ich mache mich noch einmal auf den Jakobsweg. Diesmal folge ich nicht den gelben Pfeilen, sondern meinen eigenen Worten, die ich am Ende jeden Pilgertages aufgeschrieben habe.