Donnerstag, 10. August 2006

Hochsaison

Samstags im Touristengewühl in Lagos. Plätze, Strassen, Märkte und Supermärkte quillen über von Autos und Menschen. Ich quille fast über vor Stress statt auch dieses Ereignis als Lektion und Herausforderung anzunehmen. Urlaubshochsaison! Was habe ich erwartet? Den roten Teppich? Eine freie Landebahn? Ich bin ja Teil des Ganzen, auch Teil des Verkehrschaos, Teil der Warteschlange im Supermarkt, Teil im Gewühl des Bauernmarktes, mein Camper besetzt auch einen Parkplatz.
Ich suche eine Bezeichnung für jemand, der Ferien hat/macht. Ein Urlauber? Ein Tourist? Ein Reisender? Ein Pilger? Ein Entdecker? Ein Zigeuner? Ein Vagabund? Ein Abenteurer? Ein Nomade? Ein Gefangener, den man für ein paar Wochen in die Freiheit entlässt? Zugvögel kennen keine Ferien. Sie leben einfach so, wie es für sie Sinn macht. Und so bin ich immer sprachlos und erstaunt, wenn mir jemand schöne Ferien wünscht.
Meine brasilianische Agenda zitiert Marcel Proust:
A verdadeira viagem de descobrimento não consiste em procurar novas paisagens, mas em ter novos olhos.

Ich werde vorübergehend zum Herdentier. Was zieht all die Menschen zur gleichen Zeit an den gleichen Ort?
Sonntags auf Irrwegen an der Westküste. Alle Kontakte führen ins Leere, bis ich endlich merke, dass es an mir liegt. Habe meine Schneckenhausphase und gebe mich ihr schliesslich hin so wie auch meiner Völlereiphase. Mit einem verzeihenden Schmunzeln erinnere ich mich an die weisen Ratschläge, die ich von mir gegeben habe zum Thema schwierige Entscheidungen, die das ganze Leben verändern:
- morgen könntest Du tot sein, was ist Dir dann wichtig?
- sei mutig und tu hier und jetzt Dein bestes
- frag Dein Herz
Montags und dienstags mit Freude bei der Arbeit. Ich verschönere das Schlafzimmer von Lotty mit weisser Farbe und erhalte Lob, 2 leckere Mittagessen und noch Lohn dazu. Fühle mich rundum zufrieden und reich. Der Lohn reicht für eine Tankfüllung und je 2 kg Cardinal- und Passas-Trauben, von denen ich 1 kg an Susanne weiterschenke. Reichtum muss verteilt werden, das vermehrt die Freude in der Welt.
Mittwochs in der Fülle des Vollmondes. Ich pflücke leuchtend rote und orange Hagebutten für Konfitüre. Mangels Frostnacht kommen sie über Nacht ins Gefrierfach. Die ersten grünen Feigen sind reif zum Trocknen. Sie sind schon leicht angetrocknet und hängen an ihrem Stiel. Manchmal fallen sie mir bei der kleinsten Berührung in die Hand. Auf dem Weg zum Canil ziehe ich den süssen Duft der reifen Alfarrobas in die Nase. Im Restaurante Atlantico in Salema wartet noch ein Tisch mit Meersicht auf uns. Der Atum grelhado com cebolada schmeckt saftig und kräftig. Eine Schule Delfine stiehlt dem aufgehenden Vollmond die Schau.