Freitag, 10. November 2006

Alter Faden - Tai Chi

Die grosse Weberin hat mir einen alten Faden wieder in die Hand gedrückt, letzten Mittwoch beim Ladies Lunch im Chedi. Sie hat mich genau gegenüber von Julie Hastings Platz nehmen lassen. Zuerst war ich gar nicht begeistert, eine typische Amerikanerin, dachte ich, vorurteilslos, wie ich immer gern sein möchte. Als ich sie nach ihrem Tun fragte und sie mit Tai Chi unterrichten antwortete, änderte sich alles. Das Typischamerikanische löste sich auf und ich lernte eine witzige, lebhafte, offene, geschichtenerzählende Lady kennen, die schon seit Jahren Tai Chi und Chi Gong praktiziert sowohl als Lehrerin wie auch als Schülerin. Fragen zu ihrem Werdegang quillen aus mir hervor. Ein Werdegang, der auch meiner hätte sein können, wenn. Immer mal wieder treffe ich Menschen, die das ausleben, was ich im Vorbeifliegen oder Zwischenlanden nur leicht berühre. Schmerzliche Freude. Ich halte den Tai Chi Faden in der Hand und erinnere mich.

Bern. Vor gut 10 Jahren. Bin immer noch voll karibischer Lebensfreude und voll engagiert im IKOS Projekt. Integriertes Krankenkassen Organisations System oder Immense Kosten Ohne Sinn, wie böse Zungen behaupten. Die Projektarbeit zehrt an meiner Freudenreserve und ich suche Ausgleich. Finde ihn in den Tai Chi Kursen von Liliane von Allmen. Für etwa 2 Jahre hat Tai Chi einen festen Platz in meinem Leben. Dann sind die Freudenreserven aufgezehrt. Der Projektstress bricht sich Bahn in meinem Körper. Herpes auf der Hornhaut, zuerst im einen Auge, dann im anderen. Kaum kann ich wieder sehen, grauenhafte Schmerzen im Kniegelenk und im Zeh. Schlaflose Nächte. Kann nur noch an Krücken laufen. An Tai Chi ist nicht mehr zu denken. Ich lasse den Faden los. Aber an eine Weiterarbeit im IKOS Projekt denke ich auch nicht. Ich kündige und werde wieder gesund.
1999 in Portugal nehme ich den Tai Chi Faden nochmal auf. Doch vor lauter anderen, bunteren Fäden, die mir die grosse Weberin anbietet, lasse ich ihn wieder fallen. Vielleicht ist es jetzt Zeit, den Faden weiterzuspinnen und in mein Leben zu verweben. China liegt ja praktisch vor der Haustür.