Mittwoch, 15. November 2006

Wortseligkeiten

Seit Montag tummelt sich Venus in meinem 1.Haus und füllt mir das Postfach mit Liebesbriefen, rosigen, orchideeigen, septembrigen, hüpfenden, schwingenden. Lässt Tränen fliessen beim geniessen von free hugs. Wendet den Spruch "Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen" in "Arbeit ist Vergnügen". Lässt mich einen Wälzer von Mark Twain nach Hause wälzen nach ausgiebiger Swiss Ladies Schlemmerei und Plauderei. Und was lese ich dort als erste Worte?
This book is a record of a pleasure-trip. Kreuzfahrt im Jahre 1867 von New York nach Europa. Erster Halt auf den Azoren, Fayal auf Horta. Da die Azoren im damaligen Amerika nur wenig bekannt sind, vertieft sich Mark Twain zu meinem Vergnügen ein ganzes Kapitel lang in seine Beobachtungen. The community is eminently Portuguese - that is to say, it is slow, poor, shiftless, sleepy, and lazy. ... The good Catholic Portuguese crossed himself and prayed God to shield him from all blasphemous desire to know more than his father did before him. Einige Passagiere machen einen Ausritt auf Eseln. The saddles were peculiar, to say the least. They consisted of a sort of saw-buck, with a small mattress on it, and this furniture covered about half of the donkey. There were no stirrups, but really such supports were not needed - to use such a saddle was the next thing to riding a dinner table - ... Dann wundert sich Mark Twain über die guten Strassen überall auf der Insel, besser als der Broadway in New York. Calçadas eben! Die Amerikaner nennen es Russ pavement. Weiss jemand warum?
Venus lässt mich mein Traumhaus finden, und das schönste Wort 2004: Habseligkeiten. Noch ein paar Wortseligkeiten: Chrüsimüsi, Chrottepösche, Chlüpplisack.
Ab und zu überlege ich mir, wie ich sterben möchte. So wie der Sommer im September bei Hermann Hesse mit Zugabe bis November, dann der letzte Atemzug ein Hauch verwelkende Rose.

September von Hermann Hesse

Der Garten trauert,
Kühl sinkt in die Blumen der Regen.
Der Sommer schauert
Still seinem Ende entgegen.

Golden tropft Blatt um Blatt
Nieder vom hohen Akazienbaum.
Sommer lächelt erstaunt und matt
In den sterbenden Gartentraum.

Lange noch bei den Rosen
Bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh.
Langsam tut er die großen
Müdgewordenen Augen zu.